Warum Journalisten und Blogger gar nicht so verschieden sind
Photo by Valery Tenevoy / Unsplash

Warum Journalisten und Blogger gar nicht so verschieden sind

Journalisten beäugen nunmehr seit über einem Jahrzehnt die Bloggerwelt mit Argusaugen und machen ihnen den Platz in den eigenen Reihen streitig. Schließlich seien sie nicht richtig für dieses Arbeitsfeld ausgebildet worden und verdienten auch größtenteils nicht ihren Lebensunterhalt damit.

Nach der Meinung vieler Journalisten verwenden Blogger sehr viel weniger Zeit auf die Recherche und orientieren sich eher an einem sehr persönlichen Schreibstil, als die Themen sachlich, informativ und objektiv zu betrachten. Nicht selten wurde das Bloggen in der Vergangenheit als »Hausfrauen-Journalismus« bezeichnet.

Gegenseitige Akzeptanz nicht möglich?

Doch auch Blogger haben ihre persönlichen Differenzen mit dem Journalisten-Image — wie auch eine letztens von mir geführte Diskussion auf Facebook zeigte. Den persönlich gehaltenen Schreibstil bestätigten sie, empfanden ihn aber eher als positiv, würde dies doch die Leserschaft besonders schätzen.

Auch aktuelle Vorurteile gegenüber Journalisten kamen nicht selten zum Tragen: Blogger seien viel unabhängiger, wenn es um ihre Themenwahl und die eigene Meinung gehe und sie würden sehr viel transparenter als die professionellen Medien arbeiten. Häufig würden sie sich auf ein bestimmtes Thema spezialisieren. Zu guter Letzt mache ihnen das Bloggen Spaß, selbst wenn es sehr viel Zeit koste.

Natürlich haben sich auch gute Synergien zwischen beiden Parteien entwickelt, wie beispielsweise Verlage, die Blogger in ihre eigenen Online-Publikationen einbeziehen oder Journalisten, die selbst das Bloggen ausprobieren. Nicht zu vergessen Blogger, die auf offizielle Presseevents eingeladen werden. Selbst die ersten Presseausweise werden an (hauptberuflich und überwiegend journalistisch arbeitende) Blogger ausgegeben.

Online-Journalismus setzt auf freie Mitarbeiter

Trotzdem ist noch immer eine große Barriere zwischen den beiden Parteien zu spüren. Dabei müssten sich deren Vertreter zuerst einmal an die eigene Nase fassen:

So ist der klassische Vollzeit-Journalist, der tagelang recherchiert, um einen Bericht bis ins genauste auszuarbeiten und danach noch eine ordentliche Spesenabrechnung einreicht, zu Zeiten des Internets schon eher eine Seltenheit geworden. Gerade im Online-Journalismus werden Festanstellungen immer weiter abgebaut und stattdessen freie Mitarbeiter fest in die Redaktion eingebaut oder gar auftragsbezogen und ortsunabhängig beschäftigt.

Die Zeilen- , Wort oder Pauschalpreise sinken immer weiter und machen es dem freien Journalisten kaum mehr möglich, von einzelnen Auftraggebern leben zu können, geschweige denn lange Zeit für die Recherche und Anfertigung eines Artikels aufzuwenden. Und gerade bei leistungsabhängiger Bezahlung erhalten so einige bereits rein rechnerisch gerade mal den Mindestlohn.

Nicht selten schreiben Online-Journalisten von internationalen Medien oder gar der eigenen Konkurrenz ab und beschränken die Recherche und Fehlerkontrolle auf ein absolutes Minimum, um möglichst schnell veröffentlichen zu können und die ersten Plätze in Google News abzugreifen.

Ich selbst, der als Journalist im Ressort IT & CE gearbeitet hat, habe häufig gemeinsame Fehler in Artikeln gleichen Themas von unterschiedlichen Online-Magazinen entdeckt, die auf die Neuzusammenfassung eines Artikels schließen lassen, ohne die Quelle einmal auf Fehler zu untersuchen oder gar die Original-Quelle zu finden und bei Unklarheiten mal die Pressestelle anzurufen.

Online-Welt noch immer neu für Print-Verlage

Große Print-Verlage hingegen klagen über die geringen Werbeeinnahmen in ihren Online-Ablegern, probieren andere Finanzierungsmodelle wie etwa Paid Content aus und verbannen gar Nutzer, die den Werbekonsum mithilfe von AdBlockern etwas einschränken wollen. Zumindest haben die meisten erkannt, dass die alte Riege einfach keine Ahnung vom Internet hat und dringend frischen Wind benötigt.

Zu guter Letzt wird insbesondere gegenüber großen Verlagen und bekannten Boulevard-Blättern gelegentlich der Vorwurf laut, dass auch das Presseorgan gerne mal für Lobbyarbeit hinhalten muss und gar nicht immer alles so objektiv und sachlich vonstatten geht. Eine geeignete Transparenz-Erklärung findet man hingegen nur selten. Auch die freiwillige Selbstverplichtung gegenüber dem Pressekodex nimmt bei einigen Verlagen deutlich ab.

Natürlich ist dies ein sehr stark überzeichnetes Bild und viele der genannten Punkte sind noch lange nicht die Regel. Dennoch zeigt dies, dass auch studierte Hauptberufler, denen Qualität und Objektivität am Herz liegen (und denen im übrigen trotz mancher Schieflage der eigene Job viel Spaß bereiten kann), nicht immer alles richtig machen.

Freizeit-, Teilzeit- und Vollzeit-Blogger

Blogger hingegen muss man zuerst einmal in drei Gruppen unterteilen: Zu allererst gibt es natürlich diejenigen, die den Weblog noch in seinen Ursprüngen begreifen und sehr privat für Freunde und Familie (und am besten passwortgeschützt) über ihre Erlebnisse berichten. Sie bleiben, was Geschäftsmäßigkeit und Impressumspflicht angeht, außen vor und sind auch per Definition dem Journalisten nicht gleichzusetzen und damit in diesem Artikel zu vernachlässigen.

Nach ihnen kommen die Teilzeit-Blogger, die oftmals aus Spaß an der Freude neben ihrem Hauptberuf mehr oder minder regelmäßig die Zeit ihrer Leser mit anheimeligen Themen versüßen. Natürlich wollen sie auch für ihre aufgewendete Zeit und Leistung entlohnt werden und schalten deshalb — häufig recht halbherzig — einige Werbeanzeigen, bedienen sich bei Google AdSense, Affiliate-Netzwerken oder sprechen gelegentlich konkrete Produktempfehlungen aus. Fast immer bleibt es bei einem Nebenverdienst.

Langsam wächst auch die Gruppe der Vollzeit-Blogger, die sich vor einem Jahrzehnt noch fast an zwei Händen abzählen lies. Der Traum von der eigenen Selbständigkeit in der Online-Welt ist groß — und sehr häufig wird dafür der Blog herangezogen. Diese Gruppe zieht meist alle Register, investiert manchmal sogar in ihre Geschäftsidee, stellt Mitarbeiter ein und steckt alle Hoffnung in verschiedene Vermarktungsstrategien sowie in eigene Produkte und Dienstleistungen wie E-Books, Online-Kurse und individuelles Coaching. Oft arbeiten sie zwischen 12 und 16 Stunden täglich und können nach einer mehrjährigen Einarbeitungszeit auch gut von den Einnahmen leben.

Beide Gruppen beschränken sich häufig auf ein Ressort oder sogar eine Nische — es gibt aber auch Blogs, die ganze Nachrichten-Magazine publizieren und teilweise genauso professionell herangehen wie die ausgebildeten Kollegen. Die Themenwahl hat in diesem Streit auch gar keine Relevanz, denn auch offizielle Presseerzeugnisse bestehen nicht nur aus Politik und Wirtschaft.

Blogger sind Mädchen für alles

Während die Redaktion eines Presseverlags eine riesige Maschinerie mit sehr vielen Mitarbeitern umfasst, ist der gemeine Blogger eher ein Einzelkämpfer. Es ist ihm gar nicht bewusst, dass er seine kostbare Zeit mit unzähligen Jobs, beispielsweise als Chef-, Bild- und Video-Redakteur, Grafiker, Webdesigner, Community Manager, SEO-Experte, Marketing- und Rechtsabteilung, füllt.

Dass dadurch einige Bereiche nur halbherzig ausgeführt werden können und dabei so einiges auf der Strecke bleibt, dürfte eigentlich klar sein. Trotzdem bemüht er sich mit all seiner Kraft, sich sämtliches Neuland anzutrainieren und einen Durchblick zu erhaschen. Gerade in rechtlichen Belangen ist dies sogar Pflicht.

Durch die verwendete Marketing-Strategie ist er auch eigentlich gar nicht so frei, wie er sich zeitweise fühlt. Gerade der so genannte »bezahlte Artikel« sorgt dabei für sehr viel Angriffsfläche, denn nicht nur, dass er mit der ordnungsgemäßen Kennzeichnung überfordert zu sein scheint. Nicht selten verliert er auch dadurch an Authentizität, dass er von einer Werbeagentur ein Testprodukt für eine positive Bewertung geschenkt bekommt, anstatt wie jeder ordentliche Journalist sich an die Presseabteilung des Herstellers zu wenden und die Produkte nach dem objektiven Test auch wieder zurück zu senden.

Hinzu kommt, dass die so entstandene Werbung die Objektivität des gesamten Angebots deutlich verwässert. Auch sind im Blog in der Regel sachliche Inhalte und Fakten so stark mit persönlichen Meinungen durchtränkt, dass der Leser gar nicht mehr weiß, wie er eigentlich das soeben gelesene zu bewerten hat. In einem journalistischem Kontext hätte man einfach die entprechenden meinungs-versetzen Beiträge als Kommentar oder — sofern satirisch — als Glosse gekennzeichnet.

Die Wahrheit trifft sich in der Rechtsabteilung

Wie man sieht, haben beide Seiten ihre Schattenseiten. Sowohl Journalisten als auch Blogger könnten viel voneinander lernen, wenn sie endlich den Streit, wer nun der bessere Berichterstatter sei, ablegen würden.

Juristisch werden Blogger jedenfalls kaum anders als Journalisten behandelt — nur wissen die meisten nichts davon. Ich bin natürlich kein Anwalt, doch auch mir fällt immer wieder auf, dass viele Blogger in ihrem Impressum keinen inhaltlich Verantwortlichen nach §55 Abs. 2 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) angeben. In den meisten Fällen müssten sie es aber.

Im Januar 2011 hatte das OLG Bremen (2 U 115/10) unter anderem über die journalistisch-redaktionelle Beschaffenheit der Webseite einer Anwaltskanzlei nach eben diesem Gesetz zu urteilen. Da der Begriff »journalistisch-redaktionelle Inhalte« im RStV nicht näher bestimmt wird, definierte das Gericht gleich einmal, wie so etwas auszusehen hätte:

Kennzeichnende Merkmale solcher Angebote sind eine gewisse Selektivität und Strukturierung, das Treffen einer Auswahl nach ihrer angenommenen gesellschaftlichen Relevanz mit dem Ziel des Anbieters, zur öffentlichen Kommunikation beizutragen, die Ausrichtung an Tatsachen (sog. Faktizität), ein hohes Maß an Aktualität, nicht notwendig Periodizität, ein hoher Grad an Professionalisierung der Arbeitsweise und ein gewisser Grad an organisierter Verfestigung, der eine gewisse Kontinuität gewährleistet (vgl. Held in Hahn/Vesting a.a.O. Rz. 49 ff).

Blogger, die ihre Themen also nach Popularität und Aktualität sinnvoll vorausplanen, ihre Artikel bzw. Blogposts sorgsam recherchieren, auf einen hohen Wahrheitsgehalt achten und sie regelmäßig veröffentlichen sowie sich nicht nur in Eigenwerbung ergehen, verfassen meiner Ansicht nach also auch journalistisch-redaktionelle Inhalte und sind dem Rundfunkstaatsvertrag unterstellt. Damit müssten auch Blogger die weiteren Verpflichtungen nach dem 6. Abschnitt des RStV über die Telemedien wie etwa Gegendarstellung, Datenschutz und Werbung nachkommen.

Es kann also auch Bloggern bei weitem nicht schaden, sich einmal mit dem Presserecht eingehend zu beschäftigen und auch dementsprechend ihre Inhalte anzupassen. Denn schließlich genießen sie damit die gleichen Rechte und Pflichten wie Journalisten. Dies betrifft unter anderem die Sorgfaltspflicht und die Trennung von Werbung und Redaktion.

Zu den Grundlagen des Presserechts hat Rechtsanwalt Thomas Schwenke eine umfangreiche Übersicht veröffentlicht, die ich jedem Blogger und Journalisten sehr ans Herz legen kann. Auch beim Pressekodex des Deutschen Presserats sollten beide Parteien einmal vorbei schauen. Dieser ist zwar lediglich eine Richtlinie und kann nach freiwilliger Selbstverpflichtung maximal eine öffentliche Rüge nach sich ziehen, richtet sich aber nach den ganzen Gesetzen und Pflichten und gibt in einfachen Worten wieder, was jeder Blogger und Journalist beachten sollte.

Schließlich sind wir eben doch nicht so verschieden!