Kommentar: Mit Zeitmanagement zur eigenen Unabhängigkeit?
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Kommentar: Mit Zeitmanagement zur eigenen Unabhängigkeit?

Hand aufs Herz: Wer viel arbeitet und sich einer Sache voll und ganz widmet, hat wenig Zeit. Und kaum einem gefällt das Hetzen von einem Termin zum nächsten, nur damit das nötige Kleingeld in die eigene Kasse strömt. Wer davon träumt, auf selbständigen Pfaden seine eigene Unabhängigkeit und Selbstbestimmung zu erreichen, braucht nach Meinung vieler Experten eigentlich nur eins: Das richtige Zeitmanagement!

Wie sieht Dein idealer Tag aus? Möchtest Du zwölf Stunden am Stück arbeiten, damit Dein Chef sich über Deine Leistungen freuen kann und die gewünschte Beförderung in greifbare Nähe rückt? Nach geschaffter Arbeit legst Du dann die Beine hoch, bist zu erledigt, Dich noch mit Deiner Familie, den eigenen Hobbys oder Freunden auseinander zu setzen.

Und wenn Du Dich dann doch noch zu irgend etwas aufraffen kannst, kürzt Du einfach Deinen Schlaf auf ein Minimum, um morgens pünktlich Deinen Chef beglücken zu können.

Auszeit gibt es am Wochenende — denkst Du zumindest, bevor das Wochenende losgeht und Deine Gedanken doch schon wieder um das nächste Projekt kreisen, das am Montag in Angriff genommen werden soll.

Tag-Träumereien

Für mich sieht der perfekte Tag anders aus: Aufstehen, wann ich dazu bereit bin, ein bis zwei Stunden Arbeit, um auf dem Laufenden zu bleiben, wie das neue Produkt bei meinen Kunden ankommt.

Vielleicht wird ja sogar eine 4-Stunden-Woche daraus. Freunde und Familie als zentrales Bindeglied und die Selbstverwirklichung — sei es eine interessante Reise, neue Kulturen kennen lernen oder die abgedrehtesten Hobbys — steht an erster Stelle.

Die 4-Stunden-Woche: Ein Buch für Faule?
Nehmen wir uns einmal kritisch das Buch »Die 4-Stunden-Woche« von Timothy Ferriss vor und betrachten seine Ansichten zum Work-Life-Balance.

Unmöglich? Entrepreneure auf der ganzen Welt machen es uns doch angeblich vor, wie man mit einer gesunden Geschäftsidee und ein wenig Zeitmanagement passives Einkommen aufbaut. Lagen sie auf der faulen Haut und haben darauf gewartet, dass ihnen der Erfolg einfach nur so zufliegt? Mitnichten!

Sie waren selbst einmal in der Tretmühle der Abhängigkeit gefangen und kennen unbezahlte Überstunden, Stress und die Vernachlässigung sozialer Kontakte nicht nur aus dem Fernsehen.

Auch das Aufbauen der eigenen Geschäftsidee hat ihnen nicht von heute auf morgen nur eine tägliche Stunde Arbeit beschert — sie mussten hart dafür arbeiten. Doch wie, wenn man bereits einen Full-Time-Job nachgehen muss und gar nicht die Zeit dafür hat, nebenbei an der eigenen Selbständigkeit zu arbeiten?

Aus der Tretmühle der Abhängigkeit

Viele Coaches, Trainer und sogar Psychologen setzen dabei auf ein ausgereiftes Zeitmanagement. Angebote gibt es deren viele und die Autoren zahlreicher Bücher denken sich immer wieder neue Methoden dafür aus.

Mit Tagesplänen, To-Do-Listen, Eisenhower-, Alpen- und 60:40-Methode, Getting Things Done, Simplify Your Time, der Handformel, dem Patero-Prinzip und vielem mehr rücken sie der in unseren Köpfen ungebremst dahinfließenden Zeit auf den Leib.

Viele dieser Methoden und Prizipien haben sicher ihre Berechtigung, dennoch werfen sie häufig mehr Fragen als Antworten auf. Mit großen Hoffnungen auf freigewordene Zeit, die wir dann als Luxus betrachten dürfen, machen wir uns also auf die Suche nach der für uns richtigen Herangehensweise und müssen gleich als erstes feststellen, dass wir gar keine Zeit dazu haben!

Das Zeitmanagement des Zeitmanagements

Denn eins haben alle Methoden gemeinsam: Wir müssen planen, planen, planen. Wir suchen uns geeignete Computerprogramme oder greifen zu Zettel und Stift, listen all unsere Aufgaben, Termine und Verpflichtungen auf, analysieren und priorisieren sie, ordnen sie neu, setzen sie um, kontollieren das Ergebnis und fangen dann wieder von neuem an, sie weiter zu optimieren.

Schlussendlich planen wir in unserem Zeitmanagement das Zeitmanagement selbst ein, damit wir überhaupt genügend Zeit finden, uns ausgiebig darum zu kümmern. Natürlich können die als “bewehrt” versprochenen Methoden uns helfen, besser mit unserer Zeit zu hantieren und ein wenig Freiraum zu schaffen. Doch zu welchem Preis?

Freiheit für neue Projekte?

Und was machen wir mit der gewonnenen Zeit? Wir setzen sie gleich wieder für neue Projekte — wie in unserem Beispiel das eigene Unternehmen — ein und vergessen dabei ganz, dass zum Leben auch das Leben gehört. Das gesunkene Stresslevel steigt wieder auf das Normalmaß oder sogar darüber hinaus, da wir ja nun zweimal Arbeit haben.

In ferner Zukunft können wir dann irgendwann daran denken, unseren alten Job zu kündigen, um uns ganz mit unserer Selbständigkeit auseinander zu setzen. Wenn wir bis dahin nicht unter dem Stress zusammen gebrochen sind und uns erstmal mit einer kompletten Auszeit von den bisherigen Strapazen erholen müssen.

Raus aus den gewohnten Regeln

Zu guter Letzt kommt noch hinzu, dass der Mensch von Grund aus ein Gewohnheitstier ist, der eine Abneigung gegen Selbstdisziplin und Druck hat. Das mag für Dich vielleicht vermessen klingen, wenn Du ganz tief in Dich hinein horchst, wirst Du aber wissen, dass ich Recht habe.

Schon allein im Wort »Zeitmanagement« verstecken sich die Eigenschaften, die ein Mensch eigentlich nicht hat: Um erfolgreich zu managen, muss er aus der gewohnten Tretmühle ausbrechen, sich seinem Selbst stellen und diszipliniert an all den Eigenschaften arbeiten, die ihm vielleicht vor kurzem noch als selbstverständlich erschienen sind.

Wie oft hast Du Dich schon dabei ertappt, Deine Planung der nächsten Tage und Wochen wegen einer Kleinigkeit wieder über den Haufen zu werfen? Du steckst in einem kreativen Beruf? Dann wird Dir die Problematik besonders häufig begegnet sein.

Planung hin oder her — wenn Du eine Idee hast, wirst Du Dich für gewöhnlich sofort mit allem Ehrgeiz an die neue Aufgabe machen und die lange To-Do-Liste oder sogar den einen oder anderen Termin über Bord werfen. Sich die Idee aufzuschreiben und sie erst bei der nächsten Planung mit einzukalkulieren, kommt gar nicht in Frage!

Weg mit alten Systemen!

Ergo: Ein neues Zeitmanagement-System muss her! Idealerweise macht es keine Arbeit oder ist sogar automatisiert. Es ist flexibel genug, um auch unerwartete Ereignisse sofort mit einzuplanen oder Aufgaben und Termine zu verschieben, wenn die Disziplin mal nicht reicht.

Natürlich nur in diesem Maße, dass der Chef nicht gleich eine Kündigung wegen mangelndem Ehrgeiz in Erwägung zieht. Es bezieht alle Lebensbereiche zu gleichen Teilen mit ein und berücksichtigt auch die eigene Selbstverwirklichung. Nur so wird es etwas mit der langersehnten Unabhängigkeit und dem eigenen passiven Geschäft!